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Samstag, 21. Juli 2012
Das Hexenkind
miner, 22:09h
Das junge Ding hieß Ilse Watt.
Sie ward im Waisenhaus erzogen.
Dort galt sie als verstockt, verlogen,
Weil sie kein Wort gesprochen hat,
Und weil man es ihr sehr verdachte,
Daß sie schon früh, wenn sie erwachte,
Ganz leise vor sich hin lachte.
Man nannte sie, weil ihr Betragen
So seltsam war, das Hexenkind.
Allüberall ward sie gescholten.
Doch wagt' es niemand, sie zu schlagen,
Denn sie war von Geburt her blind.
Die Ilse hat für frech gegolten,
Weil sie, wenn man zu Bett sie brachte,
Noch leise vor sich hin lachte.
In ihrem Bettchen blaß und matt
Lag sterbend eines Tags die kranke
Und stille, blinde Ilse Watt,
Lächelte wie aus andern Welten
Und sprach zu einer Angestellten,
Die ihr das Haar gestreichelt hat,
Ganz laut und glücklich noch: "Ich danke."
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Da es eines meiner liebsten Gedichte ist.....
Sie ward im Waisenhaus erzogen.
Dort galt sie als verstockt, verlogen,
Weil sie kein Wort gesprochen hat,
Und weil man es ihr sehr verdachte,
Daß sie schon früh, wenn sie erwachte,
Ganz leise vor sich hin lachte.
Man nannte sie, weil ihr Betragen
So seltsam war, das Hexenkind.
Allüberall ward sie gescholten.
Doch wagt' es niemand, sie zu schlagen,
Denn sie war von Geburt her blind.
Die Ilse hat für frech gegolten,
Weil sie, wenn man zu Bett sie brachte,
Noch leise vor sich hin lachte.
In ihrem Bettchen blaß und matt
Lag sterbend eines Tags die kranke
Und stille, blinde Ilse Watt,
Lächelte wie aus andern Welten
Und sprach zu einer Angestellten,
Die ihr das Haar gestreichelt hat,
Ganz laut und glücklich noch: "Ich danke."
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Da es eines meiner liebsten Gedichte ist.....
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